Da in der japanischen Aussprache jede More dieselbe Zeit benötigt
(»gleich lang« ist), ergibt sich auf diese
Weise ein typischer Rhythmus.
Die Sprache des Hyakunin-isshu
Die Sprache, in der die Gedichte des Hyakunin-isshu abgefaßt
sind, ist das klassische Japanisch (bungo). Texte, die in dieser Sprache
geschrieben wurden, nennt man klassisch-japanische Texte (kobun).
Das klassische Japanisch ist genaugenommen die japanische Sprache des zehnten
und frühen elften Jahrhunderts, wie sie am Kaiserhof in der Hauptstadt
Heian (heute: Kyôto) geschrieben wurde.
Natürlich unterscheidet sich diese Sprache deutlich vom heutigen
Umgangs-Japanisch. Da sie aber vor allem wegen der ihr zugeschriebenen
Eleganz bis weit ins 20. Jahrhundert hinein als Literatursprache
weit verbreitet war, muß sie jeder, der ältere Texte im Original
lesen möchte, erlernen. »Kobun« ist an den Schulen Japans
ein Pflichtfach, und so lernen alle Japaner diese Sprache (auch wenn es vielen
von ihnen nicht besonders leichtfällt und sie sie nach der Schule wieder
vergessen).
Uta-garuta das Spiel zum
Hyakunin-isshu
Das Hyakunin-isshu verdankt sicher einen großen Teil seiner
Beliebtheit der Tatsache, daß es auch die Grundlage für ein
Kartenspiel lieferte, das schon seit Jahrhunderten gern gespielt wird.
Insbesondere ist dieses Spiel auch Bestandteil traditioneller
Neujahrsbeschäftigungen.
Für dieses Kartenspiel, das uta-garuta ("Lieder-Karten") genannt
wird, benötigt man zwei Sets von je hundert Karten. Die Karten des einen
Sets sind jeweils mit einem der hundert Gedichte des Hyakunin-isshu
bedruckt. Auf den Karten des anderen Sets befinden sich nur die Unterstollen
je eines dieser Gedichte.
Man benötigt mindestens drei Personen, um das Spiel spielen zu können.
Je nachdem, nach welchen Regeln man spielt, können es auch mehr sein.
Einer der Teilnehmer spielt nicht direkt mit, sondern fungiert als Spielleiter.
Die übrigen bilden nun entweder zwei gleichstarke Parteien, die
gegeneinander antreten (Variante 1), oder kämpfen jeder gegen jeden
(Variante 2).
In beiden Varianten erhält der Spielleiter die hundert Karten des ersten
Sets, während die des zweiten Sets auf dem Boden ausgebreitet werden.
In Variante 1 sitzen sich die Spieler jeder Partei gegenüber und erhalten
jeweils 50 Karten, die sie in Reihen vor sich ausbreiten. In Variante
2 werden alle hundert Karten des zweiten Sets bunt auf dem Boden verstreut,
und die Spieler setzen sich im Kreis um diese Karten herum. Der Spielleiter
mischt die Karten seines Sets gut durch und formt sie zu einem Stapel, den
er neben sich hinlegt, ohne daß ihn die anderen sehen können.
Nach diesen Vorbereitungen beginnt das eigentliche Spiel. Der Spielleiter
zieht eine Karte von seinem Stapel und liest laut und deutlich den Oberstollen
des entsprechenden Gedichtes vor. Aufgabe der Spieler ist es nun, unter den
auf dem Boden liegenden Karten möglichst schnell diejenige zu finden,
auf welcher der zugehörige Unterstollen abgedruckt ist.
In Variante 2 gewinnt einfach derjenige den Zug, der die Karte zuerst finden
und sich greifen kann. So geht es immer weiter, bis alle hundert Karten gezogen
sind. Gewonnen hat der Spieler, der sich die meisten Karten schnappen
konnte.
In Variante 1 ist das Spielziel jedoch etwas anders: Hier kommt es darauf
an, sich als erster der 50 Karten, die vor den Spielern der eigenen Partei
liegen, zu entledigen. Wenn die zu dem vorgelesenen Gedicht passende
Unterstollen-Karte unter den eigenen 50 Karten ist, so nimmt man sie einfach
aus dem Spielfeld. Liegt die zugehörige Karte jedoch unter den 50 Karten
der Gegenpartei und findet man sie schneller als diese, so wird sie zwar
auch entfernt, aber man übergibt man dem Gegner »zur
Strafe«, daß er sie nicht selbst gefunden hat, eine Karte aus
dem eigenen Spielfeld, die dieser in sein Spielfeld legen muß.
Natürlich ist es Voraussetzung für dieses Spiel, daß man
die hundert Gedichte möglichst gut kennt. Weil der Sieg ja sehr stark
davon abhängt, wie schnell man weiß, welcher Unterstollen zum
vorgelesenen Oberstollen gehört, sollte man sich gut vorbereiten und
viel üben. Es gibt in Japan eigene Lehrbücher, die nicht nur die
hundert Gedichte vorstellen und erklären, sondern auch viele Tips und
Strategien enthalten, wie man zum schnellsten Spieler werden kann. Auch im
Internet gibt es Seiten, auf denen man das Zuordnen von Ober- und Unterstollen
interaktiv trainieren kann. Hyakunin-isshu-Clubs sind z. B. an Schulen
und Universitäten sehr beliebt. Hier trifft man sich, um gemeinsam zu
spielen, Strategien zu erlernen, zu trainieren und Turniere auszutragen. |