Wohnungen im antiken Rom

Wiedergabe des Abschnitts "Wohnungen" (S. 8 ff.) in:
Stützer, Herbert Alexander: Kunst und Leben im antiken Rom. Köln: DuMont, 1994.


Hütten auf dem Palatin
Häuser in der Zeit der Republik
Eine Insula am Kapitol: so wohnten die Großstadtrömer

Hütten auf dem Palatin

Wenn man wissen will, wie die Römer in ihrer Frühzeit gewohnt haben, muß man auf den Palatin steigen, einen der sieben Hügel, und zwar auf jenen seiner zwei Gipfel, der den Namen Germalus trägt. Dort findet man ein Fundament aus natürlichem Tuffgestein, das erkennen läßt, daß hier drei Hütten aufgebaut waren. Besonders von einer dieser Hütten sind die Bodenspuren so deutlich, daß man den Bau unschwer rekonstruieren kann (Abb. 1).

Abb. 1 Abb. 2
Abb. 1: Fundament aus Tuff von einer Hütte auf dem Germalus

Abb. 2: Grundriß der Hütte auf dem Germalus

Abb. 3: Hütte auf dem Germalus. Zeichnung nach einer Rekonstruktion von Davico

Abb. 3

Die Löcher im Boden des Tuffgesteins sind offensichtlich planmäßig angelegt, um hölzerne Pfosten aufzunehmen. Dabei wird die Fläche, von sechs Löchern begrenzt. Das siebente Loch in der zerstörten vierten Ecke ergibt sich aus der Gesamtanlage. An der gegenüberliegenden Schmalseite befinden sich zwei kleine Löcher, denen zwei noch kleinere vorgelagert sind. In den Mittelpunkt der Fläche ist ein besonders großes Pfostenloch eingehauen (Abb. 2).

Füllt man nun die Löcher neu mit Pfosten, so entsteht ein Bau, wie ihn die Rekonstruktionszeichnung nach einem Modell von Alberto Davico zeigt (Abb. 3). Da man auch ein paar Brocken von einem Lehmbewurf mit Abdrücken eines Weidengeflechtes gefunden hat, kann man daraus folgern, daß die Wände aus einem solchen Geflecht bestanden haben und mit Lehm beworfen waren.

Bodenspuren zwischen dem Mittelpfosten und der Tür deuten darauf hin, daß im Inneren der Hütte eine Feuerstelle war. Freilich konnte sie nicht groß und offen sein. Sie befand sich zwischen den vier ›Beinen‹ eines Kochuntersatzes, von dem man noch einen kleinen Rest gefunden hat. Wir können uns also ein ziemlich genaues Bild von den Hütten machen, von denen sich im übrigen auch das Alter angeben läßt. Scherben, die auf der untersten Schicht gefunden wurden, weisen nämlich ins 8. Jahrhundert v. Chr. Aus dieser Zeit dürfte auch die Gesamtanlage stammen.

Es ist nicht unwesentlich zu wissen, daß man die Fundamente in dem Bereich des Germalus gefunden hat, in dem noch im 4. nachchristlichen Jahrhundert die Hütte des sagenhaften Stadtgründers Romulus gezeigt wurde, von der Dionysos von Halikarnassos (I, 79, 11) berichtet, daß sie aus Holz und Schilf gebaut und mit Stroh gedeckt gewesen sein soll. So ist also nicht ausgeschlossen, daß auf dem Fundament aus Tuffgestein jene Hütte aufgebaut war, die man im Altertum als Romulus-Haus verehrt hat. Doch das besagt noch nicht, daß Romulus – so sich in der Sagengestalt eine historische Persönlichkeit verbirgt – auch tatsächlich hier gelebt hat.

Häuser in der Zeit der Republik

Von den Häusern aus republikanischer Zeit ist kaum noch etwas erhalten. Rom war eine lebendige Stadt, die sich wandelte und modernisierte. So wurde über Altem neu gebaut, so daß in der Kaiserzeit von Wohnhäusern aus früheren Jahrhunderten fast nichts mehr zu finden war.

Wenn wir wissen wollen, wie die Häuser in republikanischer Zeit in etwa ausgesehen haben, müssen wir nach Pompeji gehen, wo der Aschenregen des Jahres 79 n. Chr. das Alte konserviert hat. Um eine Vorstellung zu vermitteln, wie die Häuser in Rom gebaut waren, soll nachfolgend das Grundschema des italischen Hauses gezeigt werden.

Abb. 4 Abb. 4: Das italische Haus. Außenansicht, Längsschnitt und Grundriß.
  1. fauces

  2. cella

  3. atrium

  4. impluvium

  5. cubiculum

  6. ala

  7. tablinum

  8. triclinium

  9. apotheca

  10. andron

  11. hortus

Das Wohnhaus, wie man es seit dem 4. Jahrhundert v. Chr. kennt, war von großer Einfachheit (Abb. 4). Man betrat es durch die fauces, den Eingang, der von den cellae, den Kammern des Dienstpersonals, also der Sklaven, flankiert war. Mancherorts befanden sich an ihrer Stelle tabernae, Ladengeschäfte. In diesem Fall hatten die Räume Türen zur Straße hin. Das atrium hat sich erst allmählich zu der Form entwickelt, die unsere Zeichnung zeigt. Es war nach oben geöffnet, damit Regenwasser in das impluvium, das Wasserbecken inmitten des Atriums, fallen und der Rauch abziehen konnte; denn hier befand sich auch der Herd. Vom Atrium aus kam man in die cubicula, die zum Schlafen, aber wohl auch zum Wohnen bestimmt waren, sowie in die alae genannten Seitenzimmer. Der Hauptraum, im dem sich die Familie versammelte, hieß tablinum; an ihn grenzte ein Raum, der als triclinium, als Speisezimmer, diente und dem auf der Gegenseite eine Kammer entsprach, die wahrscheinlich als apotheca, als Vorratsraum, verwandt wurde. Andron, d. h. wörtlich: Männergemach, nennt man den Gang, der in den hortus, den bescheidenen Garten, führte.

Als man im 2. Jahrhundert v. Chr. die hellenistische Kultur näher kennengelernt hatte, war man mit einem solchen Haus nicht mehr zufrieden. Man hatte griechische Peristyle gesehen, Säulenhöfe, die den Kern reicher Häuser und Paläste bildeten. Man baute nun nicht etwa eigene Peristylhäuser, sondern gliederte Peristyle anstelle des Hortus den Häusern italischen Typs an (Abb. 5). Man zierte dabei das peristylium mit Anpflanzungen, Figuren und kleinen Brunnen und schloß an den Säulenhof noch Räumlichkeiten zur Erweiterung des Hauses an. Die exedra war ein Salon, die oeci dienten ebenfalls gesellschaftlichen Zwecken, wurden wohl auch als Speisezimmer verwandt; und die cubicula ergänzten die bereits zu seiten des Atriums angelegten. Das Peristyl hatte auch einen eigenen Eingang, den man posticum – Hintertür – nannte.

Abb. 5 Abb. 5: Das italische Haus mit Peristyl. Außenansicht, Längsschnitt und Grundriß.
  1. vestibulum, 1 a. fauces

  2. cella

  3. atrium

  4. impluvium

  5. cubiculum

  6. ala

  7. tablinum

  8. triclinium

  9. apotheca

  10. andron

  11. peristylium

  12. posticum

  13. cubiculum

  14. exedra

  15. oecus

Es handelt sich bei dieser Darstellung um das Grundschema, nach dem das italische Haus angelegt war. Es gab in der Wirklichkeit viele Abweichungen, aber immer konnte man vom Eingang durch das Atrium und weiter durch das Tablinum in das Peristyl bis zu seinem Ende sehen. Noch kannte man keine Axialsymmetrie, bei der die Hauptachse den gesamten Bau in zwei spiegelbildgleiche Teile teilt, wie es bei späteren Römerbauten der Fall sein wird; denn die Achse verläuft ja beim italischen Haus nicht durch die Mitte des Peristyls. Män fädelte aber die großen Einzelräume an der Längsachse auf und vereinigte sie zu einem in die Tiefe gehenden rhythmisch gegliederten Gesamtraum, dem damit auch das Peristyl eingegliedert war. So stellte man den aus Griechenland übernommenen Säulenhof in den Dienst eigenen Raumdenkens.

Eine Insula am Kapitol: so wohnten die Großstadtrömer

Auch in der Kaiserzeit gab es noch das einstöckige italische Atriumhaus, das man als domus bezeichnete. Es mußte aber mehr und mehr der insula weichen, dem Großstadthaus mit mehreren Stockwerken.

Den Rest eines solchen Hauses hat man 1928 bis 1929 ausgegraben (Abb. 6 und 7). Es liegt links von der Treppe, die zur Kirche Santa Maria in Aracoeli auf dem Kapitol führt. Erbaut wurde das Wohnhaus in der ersten Hälfte des 2. Jahrhunderts n. Chr. Die heutige Front des Gebäudes war in der Antike einem Innenhof zugewandt. Der noch vorhandene Bau gehörte zu einem einst sechsgeschossigen, großen Wohnblock, der sich über den Bereich der heutigen Aracoeli-Treppe bis in die Nähe des jetzigen Kapitolinischen Museums ausdehnte.

Abb. 6 Abb. 6: Insula am Kapitol. Heutiger Zustand
Abb. 7 Abb. 7: Insula am Kapitol. Rekonstruktion von I. Gismondi

Das beim Kapitol gelegene Wohnhaus beginnt unterhalb des heutigen Straßenniveaus mit einer Reihe von Tabernen, auf die sich ein Zwischengeschoß aufstockt, das man nach unserem Sprachgebrauch als ›Entresol‹ oder ›Mezzanin‹ bezeichnen würde. Nach oben zu folgen weitere Stockwerke mit vielen rechteckigen Fenstern, die sich in Biforien und Triforien gliedern. Oberhalb des Zwischengeschosses stützen Travertinkonsolen Bogen, die ehemals einen Balken trugen. Vor den Tabernen verlief ein Portikus [Säulengang - Thomas J. Golnik]. Mit der Ruine sind heute ein Glockenturm und ein Kapellenrest verbunden, der ein Fresko aus dem 14. Jahrhundert enthält. Beides gehört zur Kirche San Biagio del Mercato, die man im Mittelalter in die Insula eingebaut hatte. Das ausgegrabene Haus ist für uns äußerst wertvoll, weil es uns zeigt, wie der Römer in der Kaiserzeit gewohnt hat. Schon in der republikanischen Ära war es klargeworden, daß man nur dann den Zustrom von Menschen nach Rom bewältigen konnte, wenn man in die Höhe baute. So entstanden jene mehrstöckigen Häuser, die denen unserer Innenstädte - vor allem, soweit sie aus dem 19. oder beginnenden 20. Jahrhundert stammen - so ähnlich sehen. Sie besaßen die Monotonie, die Mietshäuser in einer Straße nun einmal haben. Sie waren allerdings nicht häßlich; denn den Fassaden fehlte es nicht an Logien und Balkonen, auch nicht an Verzierungen; vor allem aber waren die Ziegel so mustergültig angeordnet und verarbeitet, daß schon das allein einen Schmuck der Häuserfronten bedeutete. Auch sorgten auf den Balkonen Ranken und Blumenkästen oftmals für eine Belebung der Fassaden.

Es gab reine Privathäuser und solche mit Ladenlokalen. In ersteren wohnte im Erdgeschoß eine begüterte Familie, wohl meist die des Hausbesitzers. Sie hatte große, schöne und gepflegte Räume, die noch Erinnerungen an die alte Domus wachhielten. Das übrige Haus war in cenacula aufgeteilt, in Wohnungen, die vermietet wurden, anscheinend nicht sehr preiswert, wenn man Juvenal glauben darf, der zum Kauf eines Hauses in einer Kleinstadt rät, weil man dort schon ein stattliches Haus für dasselbe Geld bekommt, das man "in Rom für ein finsteres Loch jährlich an Miete zahlen" muß (Juvenal: Satiren 3, 224-225). Dabei waren die Wohnungen klein und sehr einfach, hatten wenig Licht bis auf jene Räume, die zur Straße hinausgingen, bei denen man mit Fenstern nicht gespart hatte. Nur das erste Stockwerk das piano nobile – war komfortabler.

In den Häusern mit Ladenlokalen, zu denen auch das am Kapitol gehört, befanden sich im Erdgeschoß zahlreiche Tabernen, in denen Händler und Handwerker ihrem Gewerbe nachgingen. Zu jeder Taberne gehörte der darüberliegende Raum des Mezzanins. Meist waren der Laden und das Zimmer im Zwischengeschoß die einzigen Räume, die ihren Mietern privat und geschäftlich zur Verfügung standen. Hier mußten sie Waren lagern, wohnen, schlafen und essen.

Hatte in der Domus jeder Raum seinen eigenen vorbestimmten Zweck - wie das Tablinum, Triclinium usw. –, so war in der Insula jedes Zimmer allseitig zu verwenden. Da viele Römer sehr beengt wohnten, mußten sie ihre Zimmer – oder ihr einziges Zimmer – zu mehrerlei Zwecken benutzen: zum Wohnen, Schlafen, Essen, Kochen und manchmal auch zum Arbeiten. Das Wasser holte man sich am Brunnen auf der Straße, was für die Mieter der oberen Stockwerke recht beschwerlich war. Direkte Zuleitungen gab es nur zu Luxuswohnungen im Erdgeschoß.

Aborte fand man unter Treppenaufgängen und -absätzen. Obwohl Rom mit einem mustergültig geplanten Kloakennetz ausgestattet war, hatte man die Abortgruben großenteils nicht mit ihm verbunden, so daß es noch lange Zeit Ausräumer gab, deren Geschäft im Dunghandel bestand.

Schwierig gestaltete sich in einem Cenaculum, einer Mietswohnung, auch das Heizen und Kochen. Viel mehr als ein transportables Holzkohlebecken und ein kleiner Wärmeofen standen dafür nicht zur Verfügung. Dabei kann es im Winter in Rom recht kalt werden, und die antiken Wohnungen hatten ihre Fenster nur in den seltensten Fällen mit Glas verschlossen. Meist blieb es bei Vorhängen oder Holzläden.

Die ungesicherten Feuerstellen verursachten natürlich viele Brände, zumal die Holzbohlen der Decken den Flammen reichlich Nahrung boten und es an Wasser zum Löschen fehlte. Brannte aber ein Haus ab, dann konnten die Bewohner der Cenacula – so sie nicht selbst zu Schaden gekommen waren - sehen, wie sie eine neue Wohnung zu erschwinglichem Mietpreis fanden. Nicht selten kaufte ein reicher Unternehmer einem durch Brand mittellos gewordenen Hausbesitzer sein Grundstück zu einem niedrigen Preis ab, baute schöner und besser wieder auf und verlangte dafür einen so hohen Mietzins, daß ihn ein Abgebrannter nicht bezaheln konnte.

Den Bewohnern einer Insula drohte aber noch eine andere Gefahr. Die Häuser waren für die Höhe, die sie hatten, oft zu leicht gebaut und zu schwer für ihren Untergrund, so daß Einstürze nicht selten vorkamen. So schreibt Juvenal: "Wir wohnen in einer Stadt, die großenteils durch Stützen getragen wird, welche die Zerbrechlichkeit von Rohren haben. Wenn aber ein Haus einzustürzen droht, dann ist die einzige Maßnahme des Verwalters die, die Sprünge, die sich gebildet haben, zu übertünchen. Dann sagt er: ›Nun kannst du beruhigt schlafen‹." (Juvenal: Satiren 3, 193–196).

Die Kaiser bemühten sich, Einstürze und Brände durch verschiedene Maßnahmen einzudämmen. Augustus ordnete an, daß ein Haus nicht höher als 70 römische Fuß, d. h. 20,6 Meter, sein dürfe. Nero erlaubte wieder 100 Fuß – das sind 29,5 Meter –, weil ja nach dem großen Brand die vielen Obdachlosen möglichst schnell eine neue Unterkunft finden mußten. Allerdings verlangte der Kaiser mancherlei Sicherheitsmaßnahmen bei Neubauten. So mußten vor allen Insulae Säulengänge angelegt werden, damit deren Flachdächer im Brandfall als Terrain zur Bekämpfung der Flammen benutzt werden konnten. Aber anscheinend war es zur Verhütung von Einstürzen und zur Bekämpfung von Bränden noch nötig, die Höhe der Wohnhäuser erheblich zu beschränken, weil Trajan auf die Maximalhöhe von 60 Fuß, d. h. auf 17,6 Meter herabging. Wieviel es genützt hat, bleibt fraglich; denn Juvenal, der das Wohnungswesen so heftig kritisierte, war ja ein Zeitgenosse Trajans, der den Kaiser um mehr als 20 Jahre überlebt hat. Der Römer wohnte also in seinem Cenaculum einfach, teuer, gefährlich und – worüber so mancher Schriftsteller stöhnte – laut.


http://www.thomas-golnik.de • 07.05.2001 • mail@thomas-golnik.de