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Romane | Sachbücher

Furui Yoshikichi: Der Heilige. [Hijiri]. Übers. von Ekkehard May. Frankfurt am Main / Leipzig: Insel, 1993. ISBN 3-458-16552-5. 190 S.
Furui (*1937), ein prominenter Vertreter der sog. introvertierten Generation, behandelt in diesem Buch einen Aspekt der japanischen Gesellschaft, der auch jedem westlichen Japan-Besucher auffallen wird – den, des merkwürdigen Miteinanders von Manifestationen einer modernen Industrienation mit denen uralter Traditionen. Ein junger Student aus Tôkyô wird bei einer Wanderung durch eine Bergregion von einem Unwetter überrascht und sucht in einem kleinen Tempelchen Schutz. Als der Regen vorbei ist, besucht ihn dort eine junge Frau, um ihn dazu zu bewegen, noch einige Tage im Tempelchen zu bleiben; ihre Großmutter stehe an der Schwelle des Todes und könne nur friedlich einschlafen, wenn sie die Gewißheit habe, daß hier im Tempelchen wieder der »Saëmon« wohne, der sie nach ihrem Tode ans jenseitige Ufer bringen werde... Die Schilderung davon, wie in den folgenden Tagen Rationales und Irrationales miteinander umgehen, macht den Zauber des Buches aus.
Inoue Yasushi: Das Tempeldach. [Tempyô no iraka]. Übers. von Oscar Benl. Frankfurt am Main: Suhrkamp, 3. Aufl., 1991. ISBN 3-518-01709-8. 214 S.
Inoue (1907–1991) beschreibt in diesem historischen Roman, welche Anstrengungen im 8. Jahrhundert von japanischer Seite aus unternommen wurden, um vom großen Vorbild China lernen zu können. Alle paar Jahre stachen einige große Schiffe mit japanischen Beamten, Gelehrten und Mönchen in See, um die gefahrvolle Überfahrt nach China zu wagen. Diesmal sind auch einige Mönche dabei, deren Auftrag es ist, einen angesehenen Meister der Mönchsdisziplin ausfinding zu machen und ihn zur Übersiedelung nach Japan zu bewegen, um den dort zwar zahlreich vorhandenen, aber doch mehr schlecht als recht ausgebildeten buddhistischen Mönchen den rechten Weg zu weisen. Dies gelingt natürlich, und die Schilderung der Fährnisse, die der berühmte Chien-chen zusammen mit seinen Begleitern erleben muß, bevor er letztlich tatsächlich nach Japan gelangt, machen den Großteil des Buches aus, das hier historischen Quellen folgt.
Kawabata Yasunari: Kyoto. [Koto]. Übers. von Walter Donat und Kawai Yuzuru. Leipzig: Reclam, 2. Aufl., 1977. 173 S.
Kawabata (1899–1972), der 1968 als erster Japaner den Nobelpreis für Literatur erhielt, erzählt in diesem Roman vom Schicksal zweier Zwillingsschwestern in Kyôto, Ende der 1950er Jahre. Chiëko wurde als Kleinkind vor der Tür eines wohlhabenden Tuchhändlers ausgesetzt, weil ihre Eltern als einfache Arbeiter nicht zwei Kinder ernähren konnten. Sie fand in diesem Hause liebevolle Ersatzeltern, während ihrer Schwester Naëko ein weniger angenehmes Leben zuteil wurde: die Eltern starben beide früh, und Naëko lebt nun allein das einfache Leben der hart arbeitenden Leute eines Bergdorfes in der Nähe Kyôtos. Eines Tages begegnen sich die Schwestern zufällig, und es entspinnt sich eine Geschichte voller Komplexität zwischen der Nähe ihrer Herzen und der Distanz ihrer Lebenswelten. Ein Buch in Harmonie und Anmut, ein Buch wie aus einer anderen Zeit, »derart sensibel geschrieben, daß das Buch gleichsam über dem Tisch des Lesers dahinschwebt«.
Kawabata Yasunari: Schönheit und Trauer. [Utsukushisa to Kanashimi to]. Übers. von Heinz Haase. Berlin: Volk und Welt, 1987. ISBN 3-353-00222-7. 253 S.
Kawabata (1899–1972) erzählt hier in seiner berühmten dezenten Art eine Geschichte heftigsten Gefühlslebens. Der Schriftsteller Oki hatte vor vielen Jahren – obgleich er bereits verheiratet war – eine ganz außergewöhnliche Liebesbeziehung zu der viel jüngeren Otoko. Diese verlor das Kind, das sie von ihm erwartete, bei seiner Geburt. Otokos Mutter zog anschließend mit ihr ins entfernte Kyôto; nicht zuletzt auch, um ihr dabei zu helfen, Oki zu vergessen. Dieser verarbeitete seine Zeit mit Otoko zu einem sog. Shi-Shôsetsu (»Ich-Roman«), der sofort zu einem Bestseller wurde und nach wie vor als Okis bestes Werk angesehen wird. Aber auch Otoko ist zu einer berühmten Künstlerin, einer Malerin, geworden und lebt nun mit ihrer einzigen Schülerin, der jungen Keiko, die ihre Meisterin abgöttisch liebt, zurückgezogen in Kyôto. Als Keiko bemerkt, daß es ihr nie gelingen wird, Oki aus Otokos Herz zu tilgen, faßt sie einen grausamen Entschluß...

Kôno Taeko: Riskante Begierden. [Miira-tori-ryoki-tan]. Übers. von Sabine Mangold und Hayasaki Yukari. Frankfurt am Main / Leipzig: Insel, 3. Aufl., 1994. ISBN 3-458-16554-1. 331 S.
Kôno (geb. 1926) erzählt in diesem Roman in plastischer Weise die Geschichte eines ziemlich ungleichen Paares, das nach einer von den Familien arrangierten Hochzeit zu einem gemeinsamen Alltag finden muß. Neben allerlei absehbaren Problemen – der Arzt Masataka ist deutlich älter als seine Frau Hinako; der Große Pazifische Krieg legt seinen Schatten über Japan und beeinflußt zunehmend das Leben der Bevölkerung – taucht für die junge Braut auch noch ein weiteres auf, dem sie zunächst völlig hilflos gegenübersteht: Masataka hat starke masochistische Empfindungen, die es ihm unmöglich machen, in Hinako »nur« seine Frau zu sehen. Er wünscht sie sich als seine Herrin, der er sich, seine Liebe, seinen Schmerz, sein Leben zu Füßen legen kann. Hinako geht anfangs zögerlich, unbeholfen und vor allem Masataka zuliebe auf seine Wünsche ein, aber ihre neue Rolle wird ihr immer mehr zur zweiten Natur, und die Grenzen ihres Spieles schieben sich immer weiter hinaus...

Mishima Yukio: Geständnis einer Maske. [Kamen no Kokuhaku]. Übers. von Meredith Weatherby [Engl.] und Helmut Hilzheimer [Dt.]. Reinbek b. Hamburg: Rowohlt, 8. Aufl., 2002. ISBN 3-499-15652-0. 150 S.
Mishima (1925–1970) gehört zu den am meisten kontrovers betrachteten Literaten Japans. Das ungewöhnliche Leben und Sterben des Autors – er beging auf traditionelle Weise durch Seppuku Selbstmord – trugen gewiß dazu bei, daß ihm die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit stets sicher war, aber daß in Mishima nicht nur ein darstellungssüchtiger Mensch, sondern auch ein wahrhaft großer Künstler steckte, offenbart sich z. B. auch in »Geständnis einer Maske«. In der Art einer analytischen Rückschau beschreibt der Autor seine eigene Kindheit und Jugend, in der er sich langsam bewußt wird, »anders« (nämlich homosexuell) zu sein, in der er dagegen ankämpft und auf vielfältig verschlungenen Wegen versucht, sich zur »Normalität« zu zwingen, und in der er nach jahrelangem Maskenspiel – mit dem er sich selbst zu überlisten versucht – an der Seite einer jungen Frau bemerken muß, daß er nur Augen für den schweißnassen Körper des jungen Burschen am Nachbartisch hat...
Mori Ôgai: Im Umbau. [Fushinchû]. Übers. von Wolfgang Schamoni. Frankfurt am Main: Insel, 1989. ISBN 3-458-16627-0. 227 S.
Mori (1862–1922) kann – vielleicht mehr als jeder andere damalige Autor – als literarischer Spiegel seiner Zeit bezeichnet werden. Seine Lebens- und Schaffensjahre decken sich recht genau mit der Ära Meiji, einer Zeit, in der sich Japan nach jahrhundertelanger Abschottung wieder der Welt öffnete und sich in seinem Bestreben, schnellstmöglich ebenfalls eine Weltmacht zu werden, eifrig von Europa und Amerika zu lernen bemühte. Mori selbst studierte in Deutschland, um anschließend als Arzt im japanischen Militär eine glänzende Karriere zu machen. Einige seiner Werke spielen in Deutschland – »Die Tänzerin« [Maihime] in Berlin, »Wellenschaum« [Utakata no ki] in und um München, »Der Bote« [Fumizukai] in Sachsen – andere in Japan oder China. Allen der in diesem Buch versammelten elf Kurzgeschichten ist es gemein, daß sie sich mit den Problemen befassen, die aus der Notwendigkeit zur Neuorientierung nach dem Zusammenbruch einer alten Ordnung ergeben.
Ôe Kenzaburô: Eine persönliche Erfahrung. [Kojinteki na taiken]. Übers. von Siegfried Schaarschmidt. Frankfurt am Main: Suhrkamp, 2. Aufl., 1994. ISBN 3-518-03771-4. 239 S.
Ôe (*1935), der Literatur-Nobelpreisträger des Jahre 1994, schildert in diesem autobiographisch geprägten Roman, wie die Welt des Englischlehrers »Bird«, eines verträumten und sorglosen Menschen, mit der Geburt seines Sohnes urplötzlich zusammenbricht. Der Junge hat eine seltene Fehlbildung des Kopfes, wodurch es ihm – den Ärzten zufolge – im besten Fall möglich sein wird, »pflanzengleich« dahinzuleben. Bird wird mit der Verantwortung konfrontiert, über eine Operation und damit über das Leben seines Sohnes entscheiden zu müssen. Er sieht sich hiervon völlig überfordert und flüchtet durch eine Affäre und durch Alkohol gleichsam in eine irreale Scheinwelt, in der ihn aber das Bild seines Sohnes nicht losläßt: seine Flucht vor sich selbst gelingt nicht. Weniger moralische Überlegungen als vielmehr die Erfahrung der Aussichtslosigkeit seiner Flucht bringen Bird dazu, das Kind operieren zu lassen. — Ôes Sohn ist heute ein erfolgreicher Musiker und Komponist.
Ôe Kenzaburô: Stille Tage. [Shizuka na seikatsu]. Übers. von Wolfgang E. Schlecht und Ursula Gräfe. Frankfurt am Main / Leipzig: Insel, 1994. ISBN 3-458-16686-6. 235 S.
Ôe (*1935) beschreibt auch in diesem Roman das Leben einer japanischen Familie mit einem behinderten Sohn. Das Buch hat zwar zum Teil Züge einer typisch japanischen Autobiographie, wartet aber mit einigen Ungewöhnlichkeiten auf. Zu Beginn des Buches nämlich entschließt sich der Vater zu einem längeren Auslandsaufenthalt, wobei er von seiner Frau begleitet wird. Zurück bleiben der älteste (behinderte) Sohn I-Ah, seine Schwester Mâ-chan und Ô-chan, der jüngste Sohn. Da dieser voll und ganz damit beschäftigt ist, sich auf seine Examina vorzubereiten, obliegt es Mâ-chan, sich um I-Ah zu kümmern. In sechs Episoden erhält der Leser aus ihrer Sicht Einblick in Probleme, mit denen I-Ah und seine Geschwister konfrontiert sind, aber auch in ihre stille Kraft und in ihre Glücksmomente. Die sprachliche Gestaltung ist subtil, aber eindrücklich und läßt einem die kleine Familie ans Herz wachsen lassen.
Saegusa Kazuko: Der Sommer an jenem Tag. [Sono hi no natsu]. Übers. von Irmela Hijiya-Kirschnereit. Frankfurt am Main: Insel, 1990. ISBN 3-458-16079-5. 166 S.
Saegusa (*1929) bearbeitet in diesem Roman eines der wohl am häufigsten behandelten Themen der modernen japanischen Literatur: die Zeit unmittelbar nach der Kapitulation Japans am 15. 08. 1945. Das 16jährige Mädchen Takako hört zusammen mit anderen Schülerinnen, die man zu kriegswichtigen Arbeiten in ein Internat zusammengelegt hatte, die berühmte Radioansprache des Kaisers, in der er dem Volk bekanntgibt, daß der Krieg für Japan verloren ist. Was in den folgenden zehn Tagen der Leere in den Köpfen der Mädchen vorgeht, wie sie versuchen, jede auf ihre Art mit dem für unvorstellbar Gehaltenen umzugehen, bildet den Kern des Romans. War es denn möglich, daß alles, was für sie unverrückbare Gewißheit war, daß alles, woran sie geglaubt hatten und wofür sie mit dem Bambusspeer in der Hand zu sterben bereit waren, nur eine große Illusion gewesen ist? Und wie sollten sie sich verhalten, wenn sie den Soldaten des Todfeindes demnächst auf den Straßen begegnen würden?
Yoshimura Akira: Schiffbruch. [Hasen]. Übers. von Sabine Mangold. Berlin: Rowohlt, 1998. ISBN 3-87134-286-6. 222 S.
Yoshimura (*1927) beschreibt in diesem Roman das Leben in einem abgelegenen kleinen Fischerdorf im japanischen Mittelalter. Die Bewohner des Dorfes haben als einzige Einkommensquelle den Fischfang, dessen Ertrag jedoch nicht ausreicht, um das Überleben aller zu sichern. Deshalb ist es üblich, daß einzelne Familienmitglieder meist für einige Jahre das Dorf verlassen, um ihre Arbeitskraft zu verkaufen und so ihren Familien zusätzliche Mittel zu verschaffen. Doch auch selbst dies wäre wohl noch nicht ausreichend, käme nicht alle paar Jahre »Ofune-sama« (das verehrte Schiff). So bezeichnen die Dörfler jene Schiffe, die an ihrer Küste Schiffbruch erleiden und deren Ladung sie dann als Geschenk der Götter untereinander aufteilen. Auch der 9jährige Isaku freut sich auf das nächste Ofune-sama. Aus seiner Perspektive erfährt der Leser, daß die Schiffe allerdings fast nie ganz zufällig an der Küste zerschellen...

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